Mit der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche beginnt bei uns die Michaeli-Woche (wie wir und warum wir Michaeli feiern, könnt ihr auch hier nachlesen). Der Jahreszeitentisch füllt sich mit Herbstschätzen, Äpfel von der Streuobstwiese, den ersten Kastanien, Eicheln und Nüssen. Mit dem letzten Regen ging der warme Spätsommer vorüber, die dunkle Jahreshälfte erobert jeden Tag ein Stück mehr von der Helligkeit. Der Drache, dem wir uns tapfer in den Weg stellen sollen, kann viele Gesichter haben, und das Schwert, dass uns von Ballast trennen und Klarheit schaffen soll, ist so scharf, wie wir es schmieden. Mir gibt Michaeli die Möglichkeit meine Gedanken zusortieren, mein Tun zu strukturieren, über mich selbst hinauszuwachsen und Mut zufassen, um über meinen Schatten zuspringen.
Auch die Kinder merken jetzt, das die Leichtigkeit des Sommers vorüber ist. Die Natur zieht sich zurück, das Aufstehen am Morgen in der Dunkelheit ist noch ungewohnt und fällt schwer. Die Zugvögel sammeln sich zum Abflug, die Temperaturen sinken nachts tief hinab, Socken und Jacke (und morgens sogar schon die Mütze) gehören wieder zur Garderobe. Der Abschied vom Sommer fällt schwer – und trotzdem gehen wir mutig voran! Denn das schwindene Sonnenlicht finden wir in unserem inneren Licht wieder.
Aus den ersten bunten und gepressten Herbstblättern habe ich zusammen mit den Kindern einen Drachen gelegt. Der hat uns so gut gefallen, dass wir ihn auf ein Stück Pappe geklebt haben, als Bild für unseren Jahreszeitentisch.
Der Herbst steht für mich im Element der Luft. Die feinen Herbstwinde, die jetzt die Drachen nach oben steigen und die Nüsse und Kastanien nach unten fallen lassen, die Blätter zum Rascheln bringen und so gerne an den Haaren ziehen. Doch dann kommen auch hier und da die strengen Böen, die uns zeigen, dass wir es mit Urgewalten zu tun haben, gegen die der sich für so machtvoll und erhaben haltende Mensch, doch in Wirklichkeit hilflos und klein ist.
Die Tag-und-Nacht-Gleiche ist überschritten, die Tage werden jetzt merklich kürzer und wir feiern den Michaelstag, Michaeli. Dieses Fest ist kein Jahreszeitenfest im eigentlichen Sinne, es markiert keinen kosmischen Punkt auf unserer Reise um die Sonne. Bei Michaeli geht es tatsächlich um die Seelenstimmung, daher zähle ich es zu den Seelenfesten, wie auch Sankt Martin oder zum Beispiel Nikolaus, aber auch Karneval. Wie und warum wir den Michaelstag feiern, habe ich hier schon einmal beschrieben.
Die Mutproben für dieses Jahr waren vor allem nass und matschig, aber ein Riesenspass, denn der Regen der letzten Tage hatte uns einige Pfützen beschert.
Immer wieder gehen wir gerne zu den Streuobstwiesen und den Feldwegen, wo wild Walnussbäume wachsen. Die meist noch feuchten Nüssen breiten wir Zuhause dann zum Trocknen aus, bevor sie später gelagert werden. Das ist wichtig, denn sonst fangen sie an zu schimmeln. Ebenso wie die Kastanien, die meine Kinder vom Schulweg auflesen. Oft kommen die Jungs jetzt mit schweren Ranzen zurück nach Hause und präsentieren dann freudig ihre glänzenden Herbstschätze.
So langsam beginnen sich jetzt auch die Blätter zu verfärben. Aber das große Blätterfarbenfeuerwerk erwartet uns im Oktober!
Mit der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche beginnt für uns die Michaeli-Woche. Jetzt kommen neben den Herbstschätzen auch der Drache und der Ritter Georg auf den Jahreszeitentisch und die Kinder basteln sich Schwerter aus Holzbrettern oder Stöcken. Das Michaelsfest haben wir erst im Waldorfkindergarten kennengelernt und dann, einfach weil unsere Kinder es immer so toll fanden, nach der Kindergartenzeit der Schulkinder (sie gehen ja leider nicht auf eine Waldorfschule) mit in unser Familienjahr übernommen.
Michaeli (29.9.) gehört neben Sankt Martin (11.11.) und Sankt Nikolaus (06.12.) zu den drei Festen, die bildhaft dazu beitragen sollen, uns auf Weihnachten vorzubereiten. Der Erzengel Michael ist es, der in der biblischen Darstellung den Teufel in Gestalt eines Drachens im Himmelreich besiegt. Der Legende nach besiegt der Ritter Georg hingegen einen Drachen auf der Erde und befreit damit eine Königstochter, die geopfert werden sollte. Beide Gestalten stehen bildhaft für Mut, Tapferkeit und Willenskraft, die sich gegen das Böse richtet. Mit dem Schwinden des Lichts und der Wärme (die Tag-und Nacht-Gleiche), schwinden auch die Lebenskräfte der Natur. Alle Zeichen stehen auf Rückzug, Vergänglichkeit und Ruhe und Abschied von der Fülle und der Leichtigkeit des Sommers. Mit der Herbstzeit beginnt die innere Einkehr, die Suche nach unserem inneren Licht (das an Weihnachten wiedergeboren wird). Wir kämpfen gegen die Schwere, die die Dunkelheit und Kälte mit sich bringt. Das Michaelsfest erinnert uns daran stark und mutig zu sein, unsere guten Kräfte zu wecken, uns unseren Aufgaben zu stellen und uns der Wahrheit verpflichtet zu fühlen.
Für die Kinder (besonders für meine Jungs) ist die Geschichte des Ritters Georg, der mutig mit seinem Schwert einen Drachen besiegt, natürlich sehr ansprechend. Wir lesen in dieser Woche meistens am Abend ein Märchen, eine Geschichte oder Sage rund um Ritter und /oder Drachen wie “Die Königstochter in der Flammenburg” oder auch die “Siegfried”-Sage (ein wenig entschärft). Und manchmal erzählen sie sich selbst kleine Geschichten, die da dann von Jedi handeln (an Star Wars kommt anscheinend keiner vorbei), die gegen das Böse kämpfen. Aber auch mich, muss ich sagen, bestärken die Geschichten rund um Sankt Michael darin, mich gegen das zu stellen, was auf der Welt und um uns herum passiert. Lügen, Zerstörung, Gewalt und den unstillbaren Konsum.
Wenn es das Wetter (und der Terminkalender) zu lässt, gehen wir Drachen steigen lassen. Wir haben die Flugdrachen tatsächlich in Drachenform, so werden die Kinder im wahrsten Sinne des Wortes zu Drachenbändigern 😉 .
Unser Waffenarsenal, was Holzschwerter, Lanzen, Schilde und Bögen betrifft, ist nach den all den Jahren beträchtlich; dennoch macht es den Jungs immer noch Spaß neue Schwerter und Lanzen zu basteln, zu schnitzen und zu sägen. Und es ist so schön zu sehen, wie stolz sie sind, wenn sie dann ihr eigenes (oft noch recht krumm und schiefes) Schwert tragen. Auch eine kleine Mutprobe gehört zu Michaeli dazu. Mal ist es ein Sprung vom Baum auf Kissen und Laub, mal ein Kampf gegen den schwarzen Ritter (mein Mann).
Das eigentliche “Fest” ist das Abendessen, welches wir meistens am Samstag oder Sonntag um den 29. September herum gemeinsam zubereiten. Dafür backen wir ein Brot in Form eines Drachens (manchmal braucht man ein wenig Fantasie, um ihn zu erkennen), der mit Cashewkernen als Klauen und Mandel als Rückenschuppen bestückt wird. Dazu gibt es Drachenblutsuppe – eine einfache Tomatensuppe aus den letzten, aromatischenTomaten aus unseren Garten (oder gekauften Tomaten, wenn der Frost früher kam als gedacht). Schwierig ist es dann nur noch zu entscheiden oder zu losen, wer den (Brot-) Drachen dann als Erster anschneiden darf.