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Eine schwierige Schwangerschaft

 

Die Entscheidung für ein viertes Kind fiel ganz bewusst. Wir haben den Platz, die Kraft und die Liebe für ein weiteres Kind. Und es gibt nichts Schöneres im Leben als Kinder.

Bald erfuhren wir, dass es sogar Zwillinge sein sollten. Zweieiige Zwillinge. Die Überraschung war groß, die Freude ebenfalls. Die leichten Bedenken, ob fünf kleine Kinder eine zu große Herausforderung darstellen würden, waren schnell abgelegt. Die Übelkeit und Müdigkeit in den kommenden Wochen war lähmend, aber ging vorbei. In der 14. Woche stand dann der erste große Ultraschall an. Kind Nr. 1 war gesund und völlig unauffällig. Bei Kind Nr. 2 stutzte die Ärztin plötzlich. In der Fruchthöhle von Kind Nr.2 befand sich ein weiterer Fötus. Es waren eineiige Zwillinge. In meinem Bauch befanden sich also nicht Zwillinge, sondern Drillinge. Die Wahrscheinlichkeit für eine solche Konstellation (bei normaler Zeugung wie bei uns) ist gleich einem Sechser im Lotto. Der Fötus in der Fruchthöhle von Kind Nr. 2 war aber leider nicht lebensfähig. Schlimmer noch. Es war ein so genannter parasitärer Zwilling, eine T.R.A.P.-Sequenz, die durch Kind Nr. 2 versorgt wurde und somit eine Gefahr für das bis dahin noch gesunde Kind Nr.2 darstellte. Überwältigt und stark verunsichert von der neuen Situationverunsichert verließen wir den Ultraschalltermin, um zwei Tage später bei der Uniklinik in Bonn vorstellig zu werden, Spezialisten auf dem Gebiet von Mehrlingsschwangerschaften und dem seltenen Phänomen des parasitären Zwillings.
Nach einer ausgiebigen Untersuchung, erklärte man uns genau, wie unsere Ausgangslage sei und welche Optionen wir für die Fortführung der Schwangerschaft  hätten. Kind Nr. 1 war weiterhin gesund, Kind Nr. 2 war sehr viel kleiner und hatte bereits eine Herzinsuffizienz als Folge der Mitversorgung des TRAPs. Der TRAP selber war alleine nicht lebensfähig, hatte weder einen Kopf, noch ein Herz. Würden wir einfach alles so belassen und die Schwangerschaft ohne Eingriff weiterführen, würde Kind Nr. 2 weiter geschädigt werden, wahrscheinlich sogar sterben und dann eventuell auch Kind Nr.1 gefährden. Gegen eine ( sonst übliche) Ablaserung des TRAPs sprach der Umstand, dass die Nabelschnüre von Kind Nr. 2 und dem TRAP ineinander verwickelt waren. Eine Ablaserung und somit eine Beendigung der Mitversorgung des TRAPs durch Kind Nr. 2 war unmöglich. Man riet uns dazu, die Schwangerschaft mit Kind Nr. 2 zu beenden und damit die Chance auf ein gesundes Kind Nr. 1 zu erhöhen.
Die nächsten Tage lagen wie im Nebel. Wir mussten schnell eine Entscheidung treffen, je eher der Eingriff zum Fetozid vollzogen würde, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass Kind Nr. 1 alles  unbeschadet überstände und mein Körper die tote Fruchthöhle absorbiere.
Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Und während ich die Worte tippe, fließen meine Tränen wieder unaufhaltsam. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung die Schwangerschaft und damit das Leben von Kind Nr. 2 zu beenden war eine rationale Abwägung der Chancen und Risiken, so hart dies auch klingt und so sehr ein Teil von mir mich auch für diese Abwägung bis heute verurteilt. Am Ende zählte für uns, dass die Wahrscheinlichkeit auf ein gesundes Kind bedeutend größer war als auf zwei gesunde Kinder. Und zwei schwerstbehinderte Kinder hätten wir ehrlicherweise im Hinblick auf unsere drei Kinder zu Hause nicht verkraften können.

Der Eingriff erfolgte in der 15. Woche, schmerzhaft und für mich zu furchtbar um es zu beschreiben.
Ich nahm danach psychologische Hilfe in Anspruch, um dieses Erlebnis zu verarbeiten.

Eine Woche später fingen die Blutungen an. Dann sprang die Fruchtblase der nicht mehr intakten Schwangerschaft. Wir hofften und beteten, dass mein Körper keine Fehlgeburt einleiten würde. Es folgten stationären Aufenthalte, weitere Blutungen und Kontraktionen. Doch Kind Nr.1 blieb und wuchs. Ich durfte wieder nach Hause. In der 22. Woche verlor ich erneut Fruchtwasser und der Ultraschall zeigte meinen kleinen Kerl mit sehr wenig Fruchtwasser. Seine Fruchtblase hatte ein Loch bekommen, einen so genannten hohen Blasensprung. Wieder kam ich in die Klinik, wieder wurde mir Antibiotika gegeben. Mit den Kinderärzten der Klinik sprachen wir über den Fall der Frühgeburt und den damit verbundenen Folgen. Über Maximalversorgung, palliativer Versorgung und dem möglichen Versterben des Kindes. Für mich war dies alles so unwirklich. So fern. Und doch überwältigten mich die Sorgen und Ängste zwischendurch bis auf das Unerträglichste.
Die Situation stabilisierte sich zum Glück. Die Blutungen und der Abgang des Fruchtwasser ist zwar noch fortwährend gegeben, mein Kind hat aber noch Fruchtwasser um sich herum; der Körper produziert immer wieder neues. Die Infektionsgefahr ist sehr hoch, daher werde ich weiterhin streng überwacht. Ende der 24. Woche haben wir mit der Lungenreifung begonnen und kämpfen (jetzt aktuell in der 25. Woche) um jeden Tag. Ich habe mich entschieden die Zeit so lange es vertretbar ist, zu Hause zu verbringen un dnicht im Krankenhaus und mich ambulant überwachen zulassen. Wir hoffen, dass wir es  mindestens in die 28. Woche schaffen, natürlich lieber noch länger. Spätestens aber in der 32. Woche würde unser Kind geholt werden.
Diese Schwangerschaft ist natürlich alles andere als normal. Manchmal vergesse ich die ganzen Sorgen und fühle mich einfach nur wohl mit meinen dicken Bauch und spüre die Tritte des kleinen Menschen der dort drinnen wohnt. Ich mochte es immer schwanger zu sein. Ich schaue meinen Kindern zu, lese mit ihnen Geschichten, spaziere durch unseren Garten und erfreue mich an unserem selbst angebauten Gemüse. Dann aber sehe ich auf der Toilette wieder das Blut und habe Angst um die Zukunft meines Kindes und meiner Familie.
Der Gedanke, dass wir nun schon soweit gekommen sind, trotz aller widrigen Umstände, gibt mir die  Kraft genauso weiter zumachen. Und vielleicht liest eine werdende Mutter, die in einer ähnlichen Situation ist, meine Geschichte und läßt sich dadurch ermutigen die Hoffnung auf ein glückliches Ende niemals aufzugeben…

13 Gedanken zu „Eine schwierige Schwangerschaft

  1. Liebe Leni,
    behalte dir deine Kraft und Zuversicht. Ich denke jeden Tag an dich! Fühl dich umarmt, Sandra

  2. Es ist unglaublich was eine Familie manchmal aushalten muss. Ich verstehe eure Entscheidungen und Gefühle und wünsche euch von Herzen Kraft, positive Gedanken und trotz allem Vorfreude. Alles wird gut. 🙂 Ich bin in Gedanken bei euch. Annett

  3. Das ist eine schwierige Zeit für Dich und Deine Familie! Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du in ein paar Monaten deutlich entspannter – mit einem gesunden Sohn auf dem Arm – auf diese schreckliche Zeit zurückblicken kannst!

    Halte durch!!! Katrin

  4. Liebe Leni,
    eigentlich weiß ich gar nicht so richtig was ich schreiben soll aber dennoch möchte ich einfach ein paar Zeilen da lassen, weil ich zutiefst berührt bin, von Denen nen Zeilen. Was Ihr schon durchgestanden habt ist eine Menge und ich drücke Euch so die Daumen. Dein kleiner Bauchbewohner scheint so stark wie Mama zu sein. Wünsche Euch ganz viel Kraft. Fühl Dich herzlich umarmt!!!!
    Tanja

  5. Liebe Leni, ich musste das erst ein mal sacken lassen. Jede Mutter wünscht sich eine ganz normale Schwangerschaft. Was es wirklich bedeutet, kannst nur du fühlen. Dein Kleinster wird ein großer Kämpfer. Meine Gedanken sind bei euch, ihr schafft das. Alles alles Liebe und viel Energie.
    Liebe Grüße

  6. Liebe Leni,

    ich bin eigentlich durch die Suchmaschine (plastikfreier Biomarkt Bonn 😉 – da waren wir heute) zu Deinem Blog gestoßen.
    Aonymerweise möchte ich Dir aber ganz ganz viel Kraft wüschen für Deine Schwangerschaft!!
    Ich hoffe und bete für Euch, dass Euer Kind noch lange in Deinem Bauch bleibt.

    Dein Blog gefällt mir sehr gut, noch habe ich nicht herausgefunden,
    wo ich klicken muss, um ihm zu folgen, aber ich kann mir ja ganz oldschool den Link speichern 😉

    Alles Gute!

  7. Liebe leni,
    Ich bin sehr gerührt u. Kann dich nur ermutigen, dass du es schaffen wirst. Ich bin mir sicher, dass du die Kraft haben wirst.
    Denke an dich, lydia

  8. Viel kann ich gar nicht schreiben, weil es mich so derart berührt. Ich lag ab der 26 ssw flach, da mein Kind zu früh kommen wollte (es wurde die 34.ssw) und weiß zumindest um Ängste und Sorgen,aber in keinster Weise um deine/eure Situation.
    Und daher nur ganz kurz: ich wünsche dir/euch Kraft und du stehst ab sofort ganz oben auf meiner Gebetsliste! Ich werde für dich und dein Kind beten!

    Viele liebe Grüße, Maike

  9. Liebe Leni,

    ich weis gar nicht richtig was ich dir schreiben soll, den Text habe ich gerade erst gelesen und er hat mich zutiefst zu Tränen gerührt. Ich kann mir vorstellen wie du dich fühlst. Ich drück dich ganz lieb <3

    Alles liebe Verena

  10. Liebe Leni,
    grade erst habe ich Dich entdeckt und deinen Brummer unter dem Mobile bewundert. Wie wunderbar, dass ihr alles so gut überstanden habt und der Kleine nun gesund und munter zu Hause ist. Deine Geschichte hier ist traurig und sehr ermutigend zugleich. Und es macht mich froh zu wissen, dass euer Jüngster in die liebende Gesellschaft seiner Geschwister hineingeboren werden durfte.
    Alles Gute für Euch!
    Lena

  11. Vielen Dank für Deine lieben Worte ♥

  12. Liebe Leni, meine Geschichte ist irgendwie anders, aber doch deiner ähnlich. Ich kann nachempfinden wie es dir ging/geht. Ich bin mit Zwillingen schwanger und am Ende werde ich nur eines an der Hand haben. Mir macht es Mut deine Geschichte gelesen zu haben.

  13. Das tut mir sehr leid für Dich. Vielleicht kann ich als Trost sagen, dass jetzt, nach der Schwangerschaft und der aufreibenden Zeit in der Klinik, die Freude über dieses wunderbare kleine Wesen, das mir geschenkt wurde, alles andere überwiegt. Die Trauer über den Verlust verblasst immer mehr.
    Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute.
    Liebe Grüße
    Leni

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